Verstehen
Forschen, um zu verstehen
Wie kommt es zu Antisemitismus im Sport?
Im Bereich der Antisemitismusforschung im Sport existieren noch immer viele Leerstellen. Um der Bedrohungslage mit nachhaltigen Maßnahmen und nicht mit bloßem Aktionismus zu begegnen, sind (sozial-)wissenschaftliche Befunde jedoch zwingend notwendig. Die gegenwärtigen Forschungslücken wollen wir schließen: Gemeinsam mit einem breiten Netzwerk aus Kooperationspartner*innen möchten wir das Dunkelfeld erhellen, um aus den gewonnenen Erkenntnissen passgenaue Bildungsangebote zu entwickeln. Wir bieten allen Interessierten (z.B. Sportorganisationen, Bildungsprojekten, Studierenden) an, sie bei der Umsetzung von Forschungsprojekten im Themengebiet „Antisemitismus im Sport“ zu unterstützen.
Zwischen Akzeptanz und Anfeindung – eine Studie des Zusammen1-Projekts
Viele antidiskriminierende Maßnahmen im Sport verfehlen leider ihre Wirkung: In bester Absicht werden Strategien für eine gesellschaftliche Gruppe konzipiert; statt deren Ressourcen, Erfahrungen und Bedarfe zu nutzen und Präventionsstrategien gemeinsam mit den Betroffenen zu entwickeln. Als erste wichtige empirische Grundlage für die Erarbeitung unserer Projektaktivitäten fungiert daher unsere quantitative Studie „Zwischen Akzeptanz und Anfeindung. Antisemitismuserfahrungen jüdischer Sportvereine“. Die erhobenen Daten liefern erstmals eine umfassende und repräsentative Abbildung der Betroffenenperspektive im Kontext des Sports.
Diskriminierung ist Alltag, nicht Ausnahme – insbesondere im Fußball
Die Ergebnisse der Erhebung bestätigen, dass sich antisemitische Grundhaltungen insbesondere im Fußball häufig in Beleidigungen oder körperlicher Gewalt offenbaren. So gaben 68 % der befragten Fußballer*innen an, schon mindestens einmal von einem antisemitischen Vorfall im Kontext ihrer MAKKABI-Mitgliedschaft betroffen gewesen zu sein. Das Repräsentieren eines jüdischen Sportvereins (in Wettkämpfen oder durch das öffentliche Tragen der Sportkleidung) bedingt das Risiko Antisemitismus zu erleben; dies gilt für jüdische Mitglieder ebenso wie für die Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften.
Antisemitismus erkennen, definieren – und bekämpfen
„Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Jüdinnen und Juden, die sich als Hass gegenüber Jüdinnen und Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen.“
IHRA Arbeitsdefinition von Antisemitismus
Subtile und offene antisemitische Erscheinungsformen begegnen uns immer wieder in verschiedenen alltäglichen Situationen – nicht nur im Sport, sondern auch im öffentlichen Leben, sozialen Medien, auf der Arbeit und in der Schule. Die IHRA (International Holcaust Remembrance Alliance) – Arbeitsdefinition stellt eine einheitliche Grundlage für alle Beteiligten unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens hinsichtlich der Wahrnehmung und Einordnung antisemitischer Vorfälle bereit.
Die Haltung der Vereine – vereint für Toleranz und Teamgeist
Am 08.10.2020 wurde die IHRA-Definition von Borussia Dortmund und Tennis Borussia Berlin als erste Vereine im deutschen Fußball offiziell anerkannt und übernommen. Rund um den Aktionsspieltag „!Nie Wieder“ am 27.01.2021 folgten unter anderem der FC Bayern München und der FC Schalke 04. Inzwischen haben, neben einem Großteil der Bundesligavereine, auch die DFL und der DFB die Anerkennung der Arbeitsdefinition beschlossen.
Das Problem klar benennen – und klare Zeichen dagegen setzen
Zusätzlich zur bloßen Definition wurde im Januar 2021 ein Handbuch veröffentlicht, in dem alle Dimensionen der IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus anhand von 22 antisemitischen Vorfällen und Straftaten in ganz Europa erläutert werden.
„Damit Antisemitismus effektiv bekämpft werden kann, muss er als solcher erkannt und benannt werden. Dafür ist die IHRA-Arbeitsdefinition essentiell und zeigt staatlichen sowie zivilgesellschaftlichen Akteuren, wie Antisemitismus in der Praxis begegnet werden kann. Wir werden auch weiterhin dafür einstehen, dass die IHRA-Definition im Amateur- und Profibereich an Zuspruch gewinnen wird, um gemeinsam ein klares Zeichen gegen Antisemitismus auf den Spielfeldern zu setzen.“
Alon Meyer, Präsident von MAKKABI Deutschland e.V.